Wo im Saarbrückener TGBBZ 1 normalerweise der Berufsschulalltag tobt, stand am vergangenen Freitag ein ganz anderes Thema auf dem Stundenplan: Stammzellspende.
Alexander Türk ist hier Lehrer – Elektrotechnik und Physik. An diesem Tag gab es aber weder Lehrbuch noch Klausur, denn er hatte er eine ganz persönliche Geschichte zu teilen. Anlass war der Besuch der Kanadierin Mackenzie Curran.
Aber von vorne. Eine rot-weiß dekorierte Aula, bereitliegende Registrierungssets und über 100 Schüler:innen, Lehrer:innen und weitere Gäste im Publikum. Radio SaLü Moderator Klaus Dittrich startet das Bühnenprogramm und bringt es direkt auf den Punkt: „Wir feiern das Leben von zwei Menschen. Eine Geschichte, die in Hollywood hätte geschrieben werden können.“
Mit 16 Jahren erhielt Mackenzie die niederschmetternde Diagnose Myelodysplastisches Syndrom, das sich schnell zu Leukämie entwickelte. Ihre Ärzte wussten schon da: Nur eine Stammzelltransplantation kann ihr helfen. In Mackenzies Familie fand sich kein passendes Match. Auch in ihrem Heimatland Kanada blieb die Suche erfolglos.
Doch dann kam die erlösende Nachricht: In Deutschland hatte man einen geeigneten Spender. Wie sich später herausstellte: Alexander, damals 23 Jahre alt, war ihr „genetischer Zwilling“. Fünf Jahre zuvor hatte er sich bei uns registriert. „Das ist natürlich erstmal eine große Sache, wenn man den Brief bekommt“, erinnert er sich.
Also begab er sich in die Hände der Ärztinnen und Ärzte und spendete Knochenmark. Eher eine Seltenheit, denn in 90 Prozent aller Fälle werden die benötigten Stammzellen aus der Blutbahn entnommen. Abhängig von den Bedürfnissen des Erkrankten kann es manchmal medizinisch notwendig sein, dass dem Spender oder der Spenderin unter Vollnarkose Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen wird. So auch für Mackenzie.
Eine kurze OP für Alexander, ein ganzes Leben für Mackenzie. Nach Wegfall der zweijährigen Anonymitätsfrist nahmen die beiden Kontakt auf und entwickelten über die Jahre eine tiefe Freundschaft.
Am 20. November 2023 war dann der zehnte Jahrestag der rettenden Transplantation. Diesen besonderen „zweiten Geburtstag“ feierte Mackenzie gemeinsam mit Alexander und dessen Familie im Saarland. Mit auf dem Plan: Eine große Registrierungsaktion an Alexanders Schule, dem TGBBZ 1.
Denn mit ihrer Geschichte wollen die zwei noch mehr erreichen. Noch mehr Menschen zur Registrierung als potenzielle Stammzellspender:innen motivieren. Zeigen: So einfach kann es sein, ein Leben zu retten.
Und die Botschaft kommt an. Mucksmäuschenstill ist es in der Aula, während Alexander und Mackenzie erzählen. Die Videos ihrer ersten Begegnung berühren das ganze Publikum. „Herr Türk ist ein Ehrenmann“, beschließt ein Schüler bei seiner Registrierung im Anschluss. Ein „Vorbild“, findet ein anderer. Auch Martin Kerz vom saarländischen Gesundheitsministerium ist persönlich berührt vom Engagement des Lehrers und „seiner“ Patientin. Auch sein Onkel sei während seiner Kindheit an einer Form von Blutkrebs erkrankt, sei ebenfalls transplantiert worden und habe ihn später für sein Leben geprägt.
Zwar leider weniger erfolgreich aber nicht weniger bewegend ist auch die ganz persönliche Geschichte, die Saarbrückers Regionalverbandsdirektor Peter Gillo mit den Gästen teilte. Auch bei ihm war ein Familienangehöriger erkrankt, aber niemand war ein richtig passendes Match. Gillos Gewebemerkmale waren damals nicht ausreichend übereinstimmend, unter normalen Umständen hätte er nicht spenden können. Doch die Lebensperspektive des Erkrankten wurde als so gering eingeschätzt, dass man es dennoch versucht hat. Leider vergeblich. „Deshalb ist es so wichtig, dass sich möglichst viele registrieren lassen.“
Und das ist dann auch Ziel und Höhepunkt der Veranstaltung: Der Start der dreiw öchigen Registrierungsaktion. Fast ein Drittel der Schüler:innen ließen sich noch vor Ort registrieren. Und auch der Schulleiter vom TGBBZ 1, Wolfgang Klein, erklärte, dass er noch die Voraussetzungen erfülle und sich deshalb ebenfalls registrieren lassen wolle.
Mackenzies Geschichte zeigt es eindrucksvoll: Für viele Menschen mit Blutkrebs ist eine Stammzellspende die einzige Überlebenschance. Doch allein 2023 fallen rund 125.000 Registrierte altersbedingt aus unserer Datenbank heraus. Daher sind Neuregistrierungen der jungen Generation besonders wichtig. Über das DKMS Schulprojekt können wir diese jungen Menschen besonders gut erreichen und aufklären.
Dazu bietet die DKMS maßgeschneiderte Unterrichtsmaterialien und Veranstaltungsangebote mit Vorträgen von DKMS Referent:innen, die sich online und offline in den Schulalltag integrieren lassen. Die innovativ aufbereiteten, kostenlosen Unterrichtspakete können in den Naturwissenschaften, den Sozialwissenschaften, im Religions-, Ethik- oder Deutschunterricht eingesetzt werden, sowohl digital als auch im Präsenzunterricht. „Wenn wir an eine Schule kommen, ist es uns zunächst ein großes Anliegen, die Schülerinnen und Schüler umfassend über die Themen Blutkrebs und Stammzellspende aufzuklären. Es ist uns wichtig, die jungen Menschen darin zu unterstützen, gut informiert eine reflektierte, eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen“, erklärt Sonja Krohn von der DKMS.
Deutschlandweit haben so bereits über 5.000 Schulaktionen stattgefunden. Rund 550.000 Schülerinnen und Schüler, mehr als eine halbe Million junge Menschen, haben sich dabei registrieren lassen – und mehr als 6.000 von ihnen haben schon Stammzellen gespendet. Das Schulprojekt im Saarland gibt es bereits seit 2011. Insgesamt haben im Saarland bisher 42 Schulaktionen stattgefunden, auf denen sich insgesamt 2.654 junge Menschen als potenzielle Stammzellspender:innen registrieren ließen. 17 von ihnen konnten bereits tatsächlich die Chance auf Überleben geben.
Alexanders und Mackenzies Geschichte, der Support der Schule, der Stadt, der Region und des Ministeriums sowie die Motivation der jungen Teilnehmenden zeigen, wie Bildung, Mitgefühl und Engagement, Leben retten können. „Denn dass ich leben darf“, sagt Mackenzie am Ende dieses Tages, „ist Alex zu verdanken.“