Markus Gerlach aus Remscheid erkrankt 2008 an Blutkrebs und bekommt durch eine Stammzellspende eine neue Lebenschance. In seinem Blogbeitrag berichtet der Berufsfeuerwehrmann über die schwerste Zeit seines Lebens, wie er den Blutkrebs besiegt hat und wie wichtig Sport dabei für ihn gewesen ist.
2008 war das Jahr, das mein Leben für immer verändert hat. Erst Ende August hatte ich erfolgreich die Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann bestanden, bin sportlich und körperlich in einem sehr gutem Zustand gewesen und bereit für einen neuen Lebensabschnitt. Doch das sollte so nicht sein! Angefangen hat alles kurz nach der Ausbildung. Es begann mit einem golfballgroßen Lymphknoten am Hals, der einfach nicht weg ging.
„Haftbefehl“ war das Wort, was mir immer noch in den Ohren liegt, als mich ein mir bekannter Facharzt der Onkologie untersuchte – sprich, mir war klar, dass ich ab sofort im Krankenhaus „eingesperrt“ sein werde. 80% meines lymphatischen Systems waren mit Krebszellen befallen, so dass ein sofortiger Handlungsbedarf unerlässlich war. Da ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Meine Gefühle fuhren Achterbahn: Wut, Angst, Verzweiflung – und immer wieder schossen mir diese Fragen durch den Kopf: „Wieso ich? Was habe ich falsch gemacht? Was passiert jetzt und was kommt auf mich zu?“. Ein Kollege sagte damals um Fassung ringend zu mir: „Ein junger Mensch auf der Startbahn des Lebens, eigentlich kurz vor dem Abheben, und dann – Vollbremsung.“ Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die Ärzte legten sofort mit der Chemotherapie, Bestrahlungen Medikamenten und weiteren zwingend erforderlichen Maßnahmen los – doch die alleine halfen leider nicht und mir wurde gesagt, dass ich eine Stammzellspende brauche. Das war der nächste Schock und es lässt sich kaum mit Worten beschreiben, wie sich die Zeit des Hoffen und Bangens angefühlt hat. Ohne eine Stammzellspende wäre mein weiteres Leben eine ablaufende Sanduhr gewesen. Meine Feuerwehrkollegen, Familie und Freunde starteten parallel gemeinsam mit der DKMS die Organisation einer Registrierungsaktion – was für mich eine große Motivation war und ein echtes Zeichen der Solidarität.
Aufgeben war für mich nie eine Option, so dass ich mich auch dieser Herausforderung stellen musste. Es zeigte sich, dass ich riesengroßes Glück hatte, denn es wurde noch in der Vorbereitungszeit der Aktion ein passender Spender für mich gefunden. Die Aktion fand nichts desto trotz statt, das war mein großer Wunsch, und es ließen sich knapp 600 Menschen registrieren. Vor einigen Tagen habe ich erfahren, dass davon schon 16 tatsächlich Stammzellen gespendet haben. Das sind 16 Lebenschancen, die bislang ermöglicht wurden – Gänsehautfeeling!
Doch zurück zu meiner Transplantation: Sie fand am 31. März 2009 statt und ich werde diesen Tag nie vergessen. Diese zwei kleinen gefilterten Blutkonserven sollten mein Leben retten? Während alle daumendrückend an mich dachten, verlief alles komplikationslos. Dieser Tag ist seither mein zweiter Geburtstag und ich habe meinen Lebensretter sogar einige Jahre später kennen lernen dürfen. Erneutes Gänsehautfeeling!
Im Krankenhaus habe ich geschworen, dass ich mich in mein altes Leben zurückkämpfen werde und wieder Sport mache. Die Wochen nach der Transplantation waren wirklich hart. Ich war so schwach, dass ich beispielsweise nur wenige Meter am Stück gehen konnte, dann musste ich eine Pause einlegen und mich hinlegen. Geschwächt von den ganzen Behandlungen, hieß es ab dann: Kämpfen! „Du bist jung, du hast soviel geschafft und musst dich zurück in dein Leben arbeiten. Schritt für Schritt“, sagte ich mir! Vor meiner Erkrankung hatte ich intensiv Sport getrieben. Und genau in dieser Phase hatte ich immer das Ziel vor Augen, wieder Sport treiben zu können. Dieses Ziel hat mich täglich angetrieben.
Irgendwann war es soweit, ich konnte endlich wieder in meinen Beruf zurückkehren und mein Leben genießen. Sport, das erste mal wieder in ein Schwimmbad eintauchen, den Wald zu riechen und den Regen zu fühlen – das war ein Gefühl wie neu geboren und unvergesslich, endlich wieder ganz normaler Alltag. Ich habe dann wieder viel Sport getrieben, beispielsweise Cross-Rennen mit Hindernissen und mir nach und nach die Ziele immer höher gesteckt. Im Ausdauersport habe ich einen Weg gefunden, immer wieder meine Grenzen auszuloten und die Strecken, die ich zurücklegte, wurden immer länger.
Schließlich habe ich mir einen Marathon zugetraut. Aber es sollte nicht irgendein Marathon sein – mir ging es um den New York Marathon, dessen Ziellinie ich überqueren wollte. Die Vorbereitungszeit war eine ziemliche Herausforderung, sieben Monate . Erst konnte ich wegen einer Gürtelrose mehrere Monate nicht trainieren, kurz vor dem Termin kam noch eine Muskelverhärtung in der Wade dazu und im Flieger nach New York erkältete ich mich noch leicht. Doch am Start konnte mich auch das nicht hindern: Am 1. November 2014 machte ich mich mit rund 50.000 weiteren Athleten auf die 42.195 Kilometer lange Strecke durch New York und überquerte nach exakt 5:28:30 Stunden mit Tränen in den Augen die Ziellinie. Es war berauschend. Es war atemberaubend. Unbeschreiblich. Und es war für mich persönlich der Beweis, dass man mit seinem Willen alle seine Ziele erreichen kann.
Erst kürzlich war ich im norwegischen Tromsö und habe am „Polar Night Halbmarathon“ teilgenommen. Es sind genau diese Momente in meinem Leben, wo ich das Leben so sehr zu schätzen weiß. Ohne die DKMS und das Prinzip, dass sich Menschen als potenzielle Stammzellspender registrieren lassen können, wäre das niemals möglich gewesen. Mir ist es daher ein großes Anliegen, dass auch anderen Patienten, so wie mir, geholfen werden kann.
Ich habe mich daher auch riesig gefreut, dass ich gefragt wurde, ob ich Teil der Kampagne „Gold fürs Leben – Team DKMS braucht Verstärkung“ sein möchte – und natürlich bin ich dabei und hoffe sehr, dass sich so viele neue Spender wie möglich im Zuge dessen aufnehmen lassen. Erkrankte auf der ganzen Welt warten auf eine Spende! Eventuell kannst du, der persönliche Held sein!