Der 10. Mai 2022 ist für uns ein ganz besonderer Tag: Wir feiern mit euch 100.000 zweite Lebenschancen für Patient:innen mit Blutkrebs oder einer anderen lebensbedrohlichen Bluterkrankungen. Ein wunderbarer Erfolg. Jede einzelne zweite Lebenschance durch eine vermittelte Stammzellspende steht für eine ganz persönliche Geschichte. Eine besonders bewegende ist die von Stella, deren Weg stellvertretend für viele zeigt, was Stammzellspenden tatsächlich bedeuten. Sie sind ein größtmögliches Geschenk!
100.000 zweite Lebenschancen sind mehr als eine statistische Zahl. Sie steht für 100.000-mal Hoffnung auf Heilung, für ein mögliches Happy-End vieler persönlicher Schicksale, für Gesundheit und Lebensqualität. „Sie steht außerdem für das, was uns als DKMS täglich motiviert“, erklärt unsere Geschäftsführerin Dr. Elke Neujahr. „Alle 27 Sekunden wird bei einem Menschen auf der Welt Blutkrebs diagnostiziert. Jedes Jahr erhalten Tausende von Familien die niederschmetternde Nachricht, dass ihr geliebter Mensch eine Blutstammzelltransplantation benötigt, um überleben können. 100.000 zweite Lebenschancen sind daher ein wichtiges Zeichen der Hoffnung für alle, die vor einem der schwersten Momente ihres Lebens stehen.“
Wenn es mehr als eine Chance braucht ...
Wie sich solche Momente anfühlen, erlebte Stella aus Büttelborn gleich mehrfach. Als sie zwölf Jahre alt war, stellten Ärzte bei ihr eine schwere aplastische Anämie fest. Das ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung der blutbildenden Organe. Dabei produziert der Körper bestimmte Zellen, etwa Leukozyten, Thrombozyten oder rote Blutkörperchen, nicht mehr eigenständig. Einzig eine Stammzellspende kann in solche einem Fall eine Heilung ermöglichen.
Für Stella bedeutete diese Diagnose zunächst eine langwierige Chemotherapie und dann das Warten auf eine Stammzellspende. Ein Krankenhaus war zu dieser Zeit ihr Zuhause, andere kleine Patient:innen ihre Freunde. Ihnen las sie vor und versuchte, Trost zu spenden. Doch keiner von ihnen, auch diese bittere Erfahrung musste Stella machen, hat es überlebt.
Stella selbst hatte unfassbares Glück, wie sie heute sagt, denn: Sie benötigte gleich drei Mal eine Stammzellspende. Nach Erhalt ihrer ersten erlebte Stella zunächst einen Rückfall. Die dritte schlug an und rettete ihr Leben. „Erst jetzt kann ich so richtig begreifen, was für eine grandiose Leistung der DKMS und ihrer registrierten Stammzellspender:innen das war“, erzählt uns Stella. „Drei passende Spender gab es für mich – und das ohne Registrierungsaktion oder Aufrufe über Social Media, was es vor 16 Jahren einfach noch nicht wie heute gab.“
Und selbst die lebensrettende dritte Spende kam durch ungewöhnliche Umstände zustande, wie sich herausstellte. Stellas Lebensretter hätte im Mai 2004 spenden sollen, wurde jedoch krank und musste seinen Termin verschieben. Nur deshalb konnte er im August 2004 ihr Leben retten. Bei diesem Gedanken bekommt Stella noch heute Gänsehaut. Hinzu kommt, dass ihr Lebensretter am gleichen Tag wie sie Geburtstag hat – er ist also ein genetischer und auch ein „Geburtstags-Zwilling“.
Mit ihm und auch den beiden anderen Spender:innen trat Stella in Kontakt und traf schließlich, mehr als zehn Jahre nach ihrem „zweiten Geburtstag“, wie sie den Tag der dritten und letzten Stammzellspende nennt, den Menschen persönlich, der ihr die lebensverändernde Transplantation ermöglichte. Der Moment der Begegnung war erneut ein ganz besonderer: „Obwohl man sich eigentlich völlig fremd gegenübersteht, ist man sich doch so nah. Es herrschte sofort ein großes Vertrauen, das man einem fremden Menschen normalerweise nicht entgegenbringen würde.“
Das genau macht die Beziehung der Menschen, die über die Stammzellspende zusammenkommen, aus: Vertrauen. Das entsteht, wenn ein ganzes Team den Gedanken lebt, uneigennützig zu helfen.
Gemeinsam so vielen Patient:innen wie möglich helfen
Tatsächlich ist jedes gerettete Leben das Ergebnis einer Zusammenarbeit vieler engagierter Menschen. Dazu zählen jede:r Spender:in, der einer/einem Patient:in eine zweite Chance gegeben hat, jede:r der elf Millionen potenziellen Spender:innen, die bei der DKMS registriert sind und Patient:innen in Not Hoffnung geben, und auch die unzähligen Freiwilligen, die sich für eine Welt ohne Blutkrebs einsetzen. Und wenn es funktioniert, wofür es leider keine Garantie gibt, ist das auch den Familien und Freunden der Patient:innen sowie den Ärzte- und Pflegeteams zu verdanken, die sich so gut wie möglich um sie alle kümmern.
Das ist mit ein Grund, dass Stella als gesunde junge Frau und ehemalige Patientin gerne etwas zurückgeben möchte. Seit 2019 ist sie Stammzellkurierin und darf persönlich Stammzellen beim Blutspendedienst abholen und direkt ins Krankenhaus zum Patienten transportieren. „Es ist unbeschreiblich, diesen Prozess selbst zu erleben“, erzählt Stella. „Teilweise werde ich im Krankenhaus gefeiert, als wäre ich die Spenderin und Lebensretterin. Das ist jedoch nur der Anfang meiner Möglichkeiten zu helfen.“
Darüber hinaus ist es Stella, die heute als Projektmanagerin tätig ist, ein großes Anliegen, das Thema Blutkrebs, schwere aplastische Anämie und die Registrierung als potenzielle Spender:innen noch mehr in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Angetrieben von ihrem großen Willen und der Freude am Leben, möchte sie keine Zeit mehr verschwenden: „Wenn ich eines gelernt habe, dann das: Das Leben kann jede Minute zu Ende sein.“
Das nächste Ziel: 200.000 Lebenschancen
Um weitere persönliche Geschichten wie jene von Stella zu einem glücklichen Ende zu führen, werden wir nicht nachlassen, so vielen Patient:innen wie möglich mit einer Stammzellspende zu helfen. Ein:e passende:r Spender:in kann von überall auf der Welt kommen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit unserem Anliegen noch stärker international wahrgenommen werden. Es geht darum, für die zweite Chance auf Leben Grenzen zu überschreiten, weltweit zusammenzuarbeiten und nichts unversucht zu lassen, um Blutkrebs-Patienten:innen zu helfen – ganz egal, wo sie leben. Denn: Jede:r Patient:in hat die Chance zu leben verdient.
Mit Blick darauf, dass es uns gelungen ist, die Hälfte der 100.000 Lebenschancen allein in den vergangenen sieben Jahren zu ermöglichen, klingt es nach einem durchaus realistischen Ziel, bis zum Jahr 2030 die 200.000 zu schaffen. Die heute erreichten 100.000 sind auf jeden Fall ein großer Ansporn.